Rad
am Ring: Mit drei OTTO BSG Teams durch die "Grüne
Hölle" beim 24-Stunden Jedermannrennen
Das Rad rollt jetzt fast von alleine durch die Nacht. Die letzte
17prozentige Steigung ist vergessen. Man merkt sie schon nicht
mehr in den Beinen, die Schmerzen verschwinden nämlich so schnell,
wie sie gekommen sind - analog zum Streckenprofil, ein auf und
ab. Der letzte Kilometer ging zum Glück mit 47 Höhenmeter
kräfteschonend bergab und die leichten Rechts-Links-Kombinationen
ermöglichen den Blick ein wenig vom Asphalt schweifen zu
lassen. Ein
unsinniger Vorgang.
Es ist stockdunkel abseits der Strecke (siehe Bild oben), ein
tiefdunkler Wald oder irgendetwas, es ist nicht zu erkennen und
auch der Vollmond unterstützt nicht den gerade ablaufenden
Irrsinn mit ein wenig Licht. Die Wolken betten das gesamte Umfeld
in eine gespenstische Kulisse.
Es
ist dunkel - sehr sogar und ich sitze auf einem Rennrad, verfolgt
von zwei anderen Radlern und bewege mich mit 45 km/h auf der Nordschleife
des Nürburgrings den ersten neuralgischen Punkt entgegen.
Die Fuchsröhre wird gleich zu durchfahren sein!!!
Von den vor mir gestarteten Teamkollegen, nach ihrer Rückkehr
beim Transponderwechsel, mit einem durch das immer noch durch
den Körper fließende Adrenalin verursachten breiten
Grinsen, als das Highlight der Strecke überhaupt beschrieben.
Schnell konzentrieren sich die Blicke wieder auf die Strecke.
Vor Löchern braucht man keine Angst zu haben. Der Asphalt
ist glatt, sauber, schnell und unübertroffen gut. So stellt
man sich das Radfahrerparadies vor. Angst macht nur die noch acht
Stunden andauernde Dunkelheit, die Warnung vor Wildschweinen und
Rehen sowie die von mir bisher ungefahrene Streckenführung:
22,8
km Nordschleife des Nürburgrings mit fast 500 zu fahrenden
Höhenmetern, zwölf Kilometer insgesamt bergab und zehn bergauf
mit bis zu 17 Prozent Steigung.
Der längste Anstieg mit 4,9 km Länge hinauf zur "Hohe
Acht" soll mächtig in den Beinen ziehen - zur Krönung
die letzten 400 m mit 16 % (zur Erinnerung der Waseberg hat 15 %
und ist wesentlich kürzer), bevor es dann rasant 1,5 km Richtung
"Brünnchen" in einer schnellen Streckenführung
bergab geht. "Brünnchen" ist bekannt dafür,
dass gerade hier die spektakulärsten Unfälle geschehen.
Ist
"Brünnchen" überstanden, geht es wellig dem
Ziel entgegen. Dort erfolgt der Wechsel und der nächste Fahrer
darf sich durch die Boxengasse schlängeln, um quer über
die Gran-Prix-Strecke zu schießen, Richtung Nordschleife abzubiegen
und den "Hatzenbach" herunter zu fliegen. Mit möglichst
viel Schwung ist dann die "Quiddelbacher Höhe"
mit den oben erwähnten 17 % zu erklimmen. Danach sind dann
die Rechts-Links Kombinationen bis zur letzten Rechtskurve vor
der "Fuchsröhre" optimal zu durchfahren.
Wer vor der letzten
Rechtskurve in die "Fuchsröhre" bremst oder nicht
die Ideallinie trifft, wird verlieren. Nicht die Kontrolle über
sein Rad, das geschieht evtl. nur, wenn man sie perfekt fährt.
Nein, man verliert die Chance in der "Fuchsröhre"
eine hohe Geschwindigkeit zu erzielen. Mit einer möglichst
hohen Anfangsabfahrtgeschwindigkeit ist die Abfahrt zu beginnen.
Es geht steil bergab 90 Höhenmeter herunter (10 % Gefälle),
dann eine scharfe links Kurve und direkt wieder bergauf.
Nur
wenn man schnell den Punkt erreicht, an dem man keine Kraft mehr
mit den Beinen über die Pedale auf den Asphalt bringt, wenn
selbst eine Trittfrequenz größer 120 ins Leere läuft,
trotz größtem Blatt und kleinstem Ritzel, nur dann
hat man eine reelle Chance die 90 km/h zu erreichen, weil Schlussendlich
nur das eigene Gewicht, die noch möglichst lange Abfahrtstrecke
bis zum Tiefpunkt direkt in der Kurve und die Erdanziehungskraft,
zur Topspeed führen.
Der nachfolgende Anstieg wird dann im Sturm
erklommen. Es bringt Spaß mit einem Rad eine 10 % Steigung
auf einer 200 m Strecke mit einem Tempo um die 90 km/h anzufahren.
Fährt man zu Beginn die erste Kurve vor der Abfahrt in die
"Fuchsröhre" perfekt an und erreicht schnell die
Rollgeschwindigkeit, bei der Treten nichts mehr bewirkt und wird
zu schnell, dann verliert man evtl. die Kontrolle oder kann das
Rad in der Kurve nicht halten oder hat das Pech, das die 18mm-Reifen
sich gegen die leichten Lenkbewegungen entscheiden. Dann hat man
auch verloren.
Es
entscheidet sich also oben, ob man den goldenen Mittelweg findet.
Ein schmaler Grat. Und genau da oben befinde ich mich gerade,
nichtsahnend, nur durch Hörensagen informiert und ohne richtig
Licht.
Der selbstgebaute Scheinwerfer strahlt zwar
mächtig, aber bei Highspeed-Abfahrten sollte man weiter als
20 Meter schauen können. Beim Einbiegen auf der vermeintlichen
Ideallinie trete ich noch einmal ordentlich in die Pedale - "Push,
push, push" klingt es mir von meinem Indoor-Cycling-Lehrer in den
Ohren - es geht los, ich komme, "Attacke" und es geht
bergab. Das
Rad neigt sich nach vorne, als mich auf einmal drei andere Fahrer
überholen. Mist, ich bin wohl doch nicht auf der Ideallinie.
Egal, es ist die erste Runde, ich bewege mich auf einer unbekannten
Strecke und es wird weitere Versuche geben.
Auf einmal gelbe Blink-Warnleuchten und ein
Flutlichtmast - Was ist das? Ein Unfall??? Ach ja, der THW leuchtet
drei Streckenabschnitte aus - es wurde doch in der Teambesprechung
von den Teamchefs gesagt, neben der Info, dass auf die Startnummer
die Telefonnummer eines Ansprechpartners zu schreiben ist, falls
man nicht mehr selbst sprechen kann. Unmittelbar danach war kurz
Ruhe im Team.
Direkt nach den Warnlampen fahre ich auf eine Geschwindigkeitsanzeige
zu. Die Fahrer vor mir schaffen 78 km/h, ich werde mit 74 km/h gemessen.
Mist! - Langsam laufen die Tritte ins Leere. Das Rad beginnt sich
aufzuschwingen. Ich lass das Treten und konzentriere mich auf
das Abfahren. Jetzt bloß nicht (ver)bremsen oder stark lenken.
Volle Konzentration auf die Kurve. Links soll sie sein; man muss
sie gut anfahren. Es gibt keine Auslaufzone, wäre auch egal,
wer fällt schon gerne bei dem Tempo auf Kies?
Sie
kommt, ich bremse vorsichtig an (spätere Runden und mit Tageslicht
wird es ohne Bremsen gehen) und hochgeht es die beschriebenen
200 Meter. Weiter im Text. Es bringt Spaß, es geht ja fast nur
bergab. Neun Kilometer der Strecke sind geschafft. Ein weiterer
Streckenabschnitt wird ausgeleuchtet: Die Kurve in "Wehrseifen",
sie stellt sich später als die Kurve heraus, die ohne Bremsen
(zumindest für mich) nicht durchfahrbar ist: Eine eklige
Kurve.
Nach der Kurve noch einmal Schwung nehmen und vom großen
Ritzel schnell aufs Kleine springen Die Anfahrt zur "Hohe
Acht" beginnt. Vor mir schlängelt sich eine rote gigantische
Lichterkette durch die Dunkelheit - es sieht aus wie auf einem
Lampion-Fest. Viele Fahrer müssen es sein. Während
der Abfahrt konnte ich nur wenig andere Mitstreiter erblicken,
obwohl eigentlich immer 450 Fahrer auf der Strecke sein müssten
(326 gestartete Teams und 123 Einzelfahrer). In Zeitlupe bewegen
sich die Leuchten vor mir weiter bergauf. Die große Lampe
stelle ich aus. Akkus schonen. Meine Stirnlampe reicht für
den Anstieg und der Streckenlauf ist dank der Rückleuchten
gut zu erkennen.
Die Geschwindigkeit sinkt rapide, eben noch
im Geschwindigkeitsrausch, nähert sich der Tacho der einstelligen
Anzeige. Die 280 Höhenmeter fordern ihren Tribut. Einige
Fahrer überholen mich und unterhalten sich dabei anregend
- ohne zu schnaufen - andere scheinen vergessen zu haben, dass
es bergauf geht. Sie fahren für mich ohne Steigung, zumindest
kommt es mir so vor. Die gefahrenen Geschwindigkeiten sind unglaublich.
Zum Glück bin ich aber nicht der langsamste und kann auch
noch an einigen anderen Fahrern vorbeifahren.
Ich stehe dabei fast - zum Glück wirft mir keiner einen
Parkgroschen zu - ich kämpfe, mein Puls pocht, ich quäle
mich - dabei fällt mir ein "Ich bin ja noch auf der
ersten Runde, wie soll das bloß werden, wenn ich zum x-mal
hier hochfahre?". Später werde ich merken, dass ich
es gar nicht merke, das Empfinden bzw. die Merkfähigkeit
nimmt bei den Strapazen eines 24h-Rennens deutlich ab.
Ein Tag zuvor ging es bei der Deutschlandtour
für die Profis den Rettenbachferner hoch. Ullrich sprach
von "Motor platzen und Tierquälerei". Dieses "Motor
platzen" geht mir nicht aus dem Kopf. Mit jedem Schritt steigt
die Quälerei, die Beine brennen und ich frage mich, wieso
die Schieber am rechten Straßenrand meine Geschwindigkeit
fast halten können.
Ich entscheide mich, meinen Zustand als
"Motor geplatzt" zu bezeichnen und steige ab. Wieso
soll ich total fertig und erledigt oben ankommen, wenn man eh
nicht viele Meter auf die noch fahrenden Anderen verliert. Dann
lieber schieben, dabei den Puls senken und erholt weiterfahren.
Die "Hohe Acht" kommt gehend näher,
oben atme ich tief durch, der Puls ist deutlichst gesunken. Vorm
Aufspringen noch einen letzten Schluck aus der Flasche, dabei
stelle ich fest, dass ein anderer Fahrer neben mir mit zwei Flaschen
fährt, wozu denke ich noch, bei 22,8 km braucht man ja nicht
wirklich viel. Vielleicht ja auch ein Einzelstarter. Die Besten
von denen, werden mehr Runden als unser 4er-Team schaffen. Der
Sieger sogar 27 Runden (alleine!)!!!
Die
Abfahrt zu "Brünnchen" beginnt. Lampe an und schnellen
Gang eingelegt. In "Brünnchen" sind 15 km geschafft,
die nachfolgenden welligen Streckenabschnitte werden mehr oder
weniger überflogen. Die Zielgerade kommt näher. Ich
erblicke durch die Schutzzäune in der Boxengasse meine Ablösung
und mache mich mit einem lauten "OTTO" bemerkbar, um
anzuzeigen, dass ich komme. Ansonsten hätte die Boxencrew
die ganze Zeit in die Dunkelheit starren müssen und bei jedem
Fahrer rätseln müssen, ist das einer von uns oder nicht?
Unser Teamchef antwortet mit einem "OTTO" zurück
und ich weiß so, ich werde gleich empfangen und der nächste
Fahrer steht bereit.
Noch 250 Meter, einmal einen 180-Grad-Turn, vorsichtig durch die Boxengasse,
leider verstehen nämlich einige andere Fahrer nicht, dass
man nicht auf der Rennstrecke innerhalb der Boxengasse für
den Fahrerwechsel anhalten soll, geschweige denn, dass die Wartenden
nicht auf der Rennstrecke zu warten haben. Es passieren so im Laufe der 24h einige unnötige und
vermeidbare hässliche Unfälle,
obwohl es eine per Absperrgitter
getrennte Wechselzone für fahrende und wechselnde Fahrer
gibt.
Unsere Teamchefs sind top vorbereitet. In
roten Warnwesten winken sich mich heran und stechen so perfekt
aus der Menge der ganzen anderen Teamchefs, Fahrern und "Fans"
hervor. Das Ganze hat ein wenig den Anschein wie eine Polizeikontrolle,
bzw. wie die Flugzeugeinweiser mit ihren gelben Leuchtstäben.
Ohne zu denken, finde ich so schnell unsere Box.
Blitzschnell wird mir der Transponder vom
Bein entfernt und an meinem Nachfolger befestigt. Die am gleichen
Fleck stattfindenden Reifenwechsel bei der Formel1 dauern länger.
Wir können stolz auf unsere Boxencrew sein. Es ist geschafft,
ich bin rum und wie die anderen nach der ersten Runde "high".
Voller Adrenalin, total begeistert von der Strecke, es ist ein
wahrer Traum die Nordschleife zu fahren. (Wechsel-Bilder nicht
anklickbar)
Sie wird als "Grüne Hölle"
bezeichnet, aber während unser Runden zeigte sie sich trotz
Dunkelheit von ihrer besten Seite und bis zum Rennende sollte
es so bleiben. Das Wetter war klasse, nicht zu warm und vor allem
trocken. Alle Fahrer hatten jederzeit (außer 2 Minuten Nieselregen
beim Start) optimale Bedingungen,
obwohl es den ganzen Tag anders angekündigt wurde.
Die
Teams hatten sich schon auf ein Regenrennen eingestellt und im
Nachhinein muss ich sagen, wir hatten Glück, denn bei Regen
wäre es sehr gefährlich gewesen, mit dem Rennrad zu
starten. Der Asphalt ist einfach zu glatt und die Abfahrten zu
schnell. Schnell schiebe ich mein Rad zu unseren neuen Radständer,
hänge es ein und werde schon mit frischgekochten Nudeln mit
Soße versorgt.
Brigitte, die Ehefrau eines Teamkollegen,
versorgt alle Teammitglieder unerlässlich mit Nudeln, niemand
muss zu keiner Zeit hungern. Mit einem dicken Bauch versuche ich
ein kleines Nickerchen, um Kräfte für die nächste
Runde zu sammeln und mache meine Augen zu.
Viel Zeit hat ein jeder Teamfahrer nicht, spätestens
nach drei Runden muss man wieder los, d.h. maximal 2:30 h:min
Erholungspause, denn die beste Zeit eines OTTO BSG-Fahrers lag
bei 0:48 h:min für eine Runde (zum Ende verlängerte
sich die Zeit dann bis zu 1:14 h:min) und es musste ja jederzeit
mit neuen Rundenrekorden gerechnet werden. Auf der Jagd nach schnellen
Rundenzeiten schraubte Volker die Topspeed bis auf 89,7 km/h.
Auslöser für
unseren BSG Ausflug zum Nürburgring war ein Bericht im Web.
Spannend las er sich und schnell fand sich eine kleine Gruppe
von 12 Fahrern und entsprechenden Teamchefs, ohne die ein Start
erst gar nicht möglich wäre. Im Februar mussten wir
uns anmelden und für die ersten Probleme waren Lösungen
zu finden. Ein 24h-Rennen bedeutet auch im Dunkeln zu fahren und
so musste eine Lampe her, die Rennrad-geeignet, schnell zu wechseln
und Akku-schonend war.
Ziel war es, schneller zu wechseln, als die Wagen beim Boxenstopp
in der Formel 1 betankt werden. Wolfgang, Dieter und Volker präsentierten
uns bei dem Vorbereitungstreffen dann die Lösung: Eine Halogenlampe
mit Schnellschlußverspanner - abgestimmt auf alle Lenker
der 12 Fahrer. Der Clou dabei, die Akkus waren ausgelagert und
in einer ausrangierten Trinkflasche integriert. Optimal für
den zweiten Trinkflaschenhalter und blitzschnell zu wechseln.
Neben der Lampenvorstellung wurde noch von
den Streckenkundigen erzählt, dass jeder seine komplette
Radkleidung, ob Winter- oder Sommerkleidung, mitnehmen sollte,
da die Eifel bekannt für Wetterumschwünge sei. Trotz
Temperaturen von 22°C am Tage, kann es nachts um 3:45h zu
dieser Jahreszeit 6°C oder weniger werden. Der Gedanke daran war nicht wirklich erquickend, wir wollten
eigentlich alle ein tolles Wochenende verbringen, das nicht in
Stress ausarten sollte (Zum Glück war es dann beim Rennen
nur positiver Stress).
Neben der Lampevorbereitung wurden wir
informiert, dass beim Fuhrpark Autos bestellt waren, die Kantine
uns vorgekochte Nudeln einschweißt, um den Kochprozess zu
verkürzen, sowie Frühstück, Getränke und für
die Abschlussfeier am Samstagabend Grillgut bereits organisiert
sind. Für einen Kälteeinbruch oder Regen stand eine
Gasheizung zur Verfügung. Es war an alles gedacht und am
liebsten wären wir schon am Abend aufgebrochen.
Ein großes DANKESCHÖN für
die tolle Vorbereitung ohne die das Rennen lange nicht zu dem
Ereignis geworden wäre, das es letztendlich wurde. Es fehlte
an nichts, alles war ausreichend vorhanden. Von den Problemen
und Mühen und verzweifelten Momenten, wenn beim Organisieren
nicht sofort alles klappte, hat man gar nichts mitbekommen, vielen
Dank Volker, Wolfgang und Dieter! Es hat riesengroßen Spaß
gemacht, mit der Truppe unserer OTTO Radsport BSG einem solchen
Event beizuwohnen. Vielen Dank den Vorbereitern, den Organisatoren,
den Mitfahrern und den Teamchefs.
Ohne die Teamchefs Karsten, Norbert und Brigitte
wären wir nie sooft um den Kurs gekommen. Ständig waren
sie überall, halfen bei technischen Defekten, kontrollierten
die Rundenzeiten, um die nachfolgenden Fahrer rechtzeitig zu informieren,
dass es weitergeht. Sie lenkten die ankommenden Fahrer sicher
zur Box, führten blitzschnell den Transponderwechsel durch,
bereiteten die Räder vor, während man selbst ruhte und
waren zu jederzeit bestens gelaunt.
Die Motivation tat gut, gerade
zum Ende des Rennens, wenn man selbst gereizt und müde war
und nicht wirklich mehr Lust hatte. Die Beine taten weh und wieso überhaupt, fährt man
bei einem 24h-Rennen mit. So etwas bescheuertes, andere erholen
sich am Wochenende. Trotz allem waren die Teamchefs immer gut
drauf und wenn man dann wieder auf dem Sattel saß, war all
die Lustlosigkeit wieder verflogen. Der Kurs zog einem in den
Bann und unsere Teamchefs trugen viel dazu bei.
Gestartet
wurde dann am Renntag morgens um 6:00h in der Firma in Hamburg.
Drei voll gepackte Fahrzeuge mit Rädern und dem ganzen notwendigen
Geraffel. Der frühe Aufbruch sollte dazu führen, dass
der Freitags-Stau und Weltjugendtag nicht Bestandteil der Reise
werden. Es ging immerhin einmal die gesamte A1 von Hamburg durch
Köln bis zum Ende der Autobahn kurz vor dem Ring herunter.
Die Zeit im Auto wurde dann damit verbracht, sich alle 30 Minuten
über den immer schlechter werdenden Wettebericht zu ärgern.
Die Regenwolken wurden von Ansage zu Ansage größer,
sogar von Unwetter mit Blitz und Donner in der Eifelregion war
die Rede. Es hörte sich unschön und ungemütlich
an. Zum Glück kamen wir ohne Probleme an, nur der letzte
Straßenverlauf von der Autobahn zum Ring kündigte an,
was uns erwarten sollte, es ging hoch und runter. Das Kribbeln
begann.
Direkt am Ring erblickten wir eine riesige
Menschentraube an einem Kartenschalter anstehend, alle wollten
ihre Zufahrtsberechtigungskarten für die Boxengasse abholen.
Unser Glück, dass ein Kollege schon da war: schnell wurde
uns von Wolfgang per Bike der Ausweis gebracht und wir konnten
einfahren.
Die riesige, über der Boxengasse wehende, nagelneue
OTTO-Fahne zeigte schnell unseren Boxenstandort an. Dort herrschte bereits reger Betrieb, Räder wurden ausgepackt
und vorbereitet, Isomatten ausgerollt, Kochplatte und Werkstatt
aufgebaut und jeder Teambereich in den Boxen durch die jeweiligen
Teams ein wenig gemütlich hergerichtet. Jedes Team hatte
einen eigenen Bereich. Insgesamt teilten sich 6 Teams eine Box.
Das Interesse am 24-Rennen war so groß, dass viele Teilnehmer
auf dem Parkplatz campen mussten, da die Boxen lange nicht ausgereichten.
Die restlichen Stunden bis zum Start wurden
damit verbracht, sich ein wenig den Ring und das Treiben anzuschauen.
Mit der Kamera bewaffnet liefen wir kreuz und quer über den
Boxenbereich, den Eventbereich - hier gab es Verpflegung, Promotion-Stände
von Händlern, das Rennleiterbüro, usw. - und die Start-/Zielgerade
der GP-Rennstrecke. Erste Radfahrer kreuzten uns bei unserem Spaziergang
über die Strecke und schnell war der Gedanke geboren, auch
einmal mit dem Rad selbst die Grand-Prix-Strecke abzuradeln und
zu schauen, ob die Räder die Autofahrt gut überstanden
haben.
Im
Fernsehen fliegen die Formel1 Boliden über die Strecke, wir
mussten hingegen relativ schnell feststellen, dass es ein auf
und ab und mit dem Rad wesentlich schwerer ist. Ein interessanter
Kurs, der uns neugierig auf die Nordschleife machte.
Diese war leider aber gesperrt, so dass ein erstmaliges Beschnuppern
der Strecke ohne Renncharakter nicht möglich war. Es gab
schnell wieder verworfene Überlegungen, die erste Rennrunde
mit allen zufahren, damit keiner erstmalig im Dunkeln über
den Kurs muss. Dieses hätte zumindest für den 2. Fahrer
eine doppelte Runde bedeutet und so beschlossen wir, dass es ausreichen
müsste, ein wenig aufmerksamer zu fahren und verzichteten
auf einen Mannschaftsstart.
Alle warteten auf 19:30h und die Stimmung
auf dem Nürburgring wurde immer kribbelnder. Mehr und mehr
Startfahrer versammelten sich an der Startlinie, Menschenmassen
bewegten sich durch die Boxengasse, noch waren alle wach und fit.
Später in der Nacht sollte es wesentlich leerer werden. Pünktlich
zum Start fing es dann leicht an zu nieseln.
Zum Glück verzogen sich die Wolken schnell und kamen
auch nicht mehr wieder.
Die Startfahrer mussten einen Teil der Grand-Prix-Strecke
durchfahren, um nicht mit dem gesamten Pulk durch die enge Boxengasse
inkl. zwei 180°Grad -Kurven zu fahren. Das Feld zog sich schnell
in die Länge und flog imposant der Abzweigung Richtung Nordschleife
entgegen. Der Anblick und die Geräuschkulisse des Rad-Pulks
steigerte die Lust auf das eigene Fahren. Nachdem die Starter
hinter der ersten Kurve verschwanden, marschierten alle wieder
zurück in die eigene Box, um sich langsam selbst vorzubereiten.
Beeindruckend war der Blick in andere Boxen. Teilweise saßen
dort schon die zweiten Fahrer auf Indoor-Cyclingrädern, um sich
warm zu fahren oder lagen auf Massagebänken und wurde professionell
durchgeknetet. In der Nachbarbox wurde so ein Indoor-Cyclingrad 24h
bewegt, immer saß jemand darauf und sorgte für ein
- nicht störendes - ununterbrochenes Laufgeräusch des
Schwungrades in der Box.
Überhaupt war die Stimmung in den Boxen
unbeschreiblich. Man konnte viele verschiedene Schlafmöglichkeiten
erkennen, ob einfache Iso-Matten oder Luftmatratzen, Feldbetten
oder Liegeflächen, es gab fast alles und immer hat man irgendwo
einen schlafen (bzw. besser: ruhen) gesehen. Auch die vorhandenen
Verpflegungsreserven der Teams unterschieden sich erheblich. Teilweise
konnte man nur riesige Bananenberge erblicken, einige Teams grillten
24h ununterbrochen und viele kochten
ununterbrochen Nudeln.
Neben der Schlaf- und Esskulisse bestimmte
noch etwas anderes die Stimmung in den Boxen. Ein Teamkollege
bezeichnete beim ersten Betreten der Box, die Box als großen
Käfig. Vier Boxen waren nämlich jeweils zu einem Raum
zusammengefasst, getrennt nur durch große Gitter. Im laufe
des Rennens konnte man denken, dass viele Pumas in den Boxen leben
würden. Die Rennkleidung wurde sofort nach einer Runde zum
Trocknen aufgehängt und schnell bestimmte der trocknende
Schweiß die Luftfrische in den Boxen. Aber irgendwie gehörte
es dazu ...
Nach
45 Minuten kamen die ersten Fahrer, die zweiten Fahrer standen
bereit, warteten auf unsere Starter. In der Boxengasse wuselten
Teamchefs umher, versuchten die eigenen Fahrer vorab auf der Rennstrecke
zu erblicken, um nicht plötzlich überrascht zu werden.
Aufgrund des noch engen Feldes und des ungewohnten Prozedere war
dies natürlich noch nicht optimiert und es kam zu einigen
Irritierungen und Fahrern, die in die falsche Box fuhren.
Unsere Fahrer kamen und problemlos wurde gewechselt.
Noch war es ausreichend hell und so wurde ohne Lampe gestartet.
Die Dritten von uns sollten die ersten mit Licht sein. Ich, als
dritter Starter des Team A, hatte zusätzlich noch eine Stirnlampe
aufgesetzt, für den Fall dass die fast ungetestete Hightech-Lampe
ihren Geist aufgab.
Die Stirnlampe stellte sich hierbei als optimale Ergänzungs-Lampe
heraus, sie reichte von der Leuchtkraft für die Steigungen
und ermöglichte jederzeit ein Blick auf den Tacho. Bei bei
Pannen hätte sie zusätzlich optimal Licht gespendet.
Für die Abfahrten war die ausschließliche Benutzung
der Stirnlampe nicht ausreichend.
Beim Wechsel nach meiner ersten Runde genieße
ich, wie die Anderen auch, dieses Glücksgefühl der Fahrt.
Lange hält es leider nicht an, das Klingeln des Handys eines
Teamchefs zerstört den gedanklichen Traum der letzten Runde.
Man hört Wörter wie "Sturz", "Krankenwagen
ist gerufen", aber auch in der direkten Ansprache den Namen
des Gestürzten. Es ist hoffentlich also nicht ganz so schlimm,
er scheint noch selbst telefonieren zu können.
Kurz danach,
dann aber doch die Befürchtung, Norbert erklärt uns,
dass unser Fahrer einen Verdacht auf einen Schlüsselbeinbruch
hat. Er wird ins Krankenhaus gebracht und versorgt. Anschließend
kommt er trotz Bruch wieder in die Box und verfolgt von dort das
Rennen weiter.
Auf der Rennstrecke wurde er blitzschnell versorgt, die Organisatoren
schafften es, wie auch immer, bei der langen Rennstrecke, schnell
einen Ersthelfer vorbeizuschicken und auch ein Arzt war schnell
zur Stelle. Das Rad wurde von der Rennleitung eingesammelt und
wir konnten es mit Transponder im Büro abholen. Die Runde
zählte nicht, das restliche Team konnte aber weiterfahren.
Überhaupt war die Organisation spitze, meiner Meinung nach
wurde an alles gedacht und die Fahrer standen im Mittelpunkt.
Schön war, dass auf den Startnummern der Vorname gedruckt
war. Schnell konnte man ein Gespräch beginnen, man fühlte
sich gleich vertrauter. Wenn man einmal vergleicht, was bei anderen
Radveranstaltungen für eine Teilnahme zu zahlen ist und was
man dort erhält, dann würde man sich wünschen,
dass die "Rad-am-Ring"-Macher mehr organisieren würden.
Uns fehlte es an nichts. Nächstes Jahr kann alles so bleiben,
wie es war!!!
Zwei aufregenden Momente gab es für unsere
Teams noch in der Nacht. Einmal verlor ein Starter die linke Kontaktlinse
unmittelbar nach dem Wechsel und musste so, nur mit einem Auge
scharf blickend, den Kurs umfahren und einmal gab eine Lampe den
Geist auf. Nach einer kleinen Reparatureinlage konnte er aber
weiterfahren und benötigte nur 30 Minuten mehr Fahrzeit.
Als die Helligkeit ab 6:00h am Samstagmorgen die Nacht verdrängte,
begann für einige ein ganz neues Fahrvergnügen. Die
beiden letzten Fahrer jedes Teams kannten die Strecke nämlich
nur in der Nacht und konnten jetzt erstmalig den Streckenverlauf
richtig sehen, statt die Streckenführung nur zu schätzen.
Kurven, die bisher angebremst durchfahren wurden, konnten jetzt
im Schuss überwunden werden. Man konnte das Rad laufen lassen
und auch die Steilkurven schienen ungefährlicher als noch
in der Nacht. Man konnte endlich sehen, wo man fährt und
wie man fahren sollte, ob mit Druck oder nur laufen lassen. Es
war wieder, wie beim ersten Mal - breitgrinsend kam man zur Wechselzone.
Unsere Teams drehten so ihre Runden, jede Runde war ein neues
Erlebnis; bei keiner wurde es langweilig. Im laufe des Tages kamen
noch RTF-Fahrer und einige Kurzstrecken-Jedermann-Rennen-Fahrer
hinzu, so dass die Strecke immer voller wurde, gestört hat
es aber nicht. Vielmehr hat es Spaß gemacht, so viele begeisterte
Sportler zu sehen. Die Stimmung war wie das sonnige Wetter.
Ab
18:30 h wurde die Einfahrt dann zur Nordschleife gesperrt, alle
24h-Teilnehmer die vorher die Einfahrt überquerten, konnten
noch einmal eine Runde in Angriff nehmen, für die anderen
war das Rennen vorbei. Glücklich und kaputt empfingen wir
unsere letzten Fahrer, alle waren froh, dass es vorbei war und
freuten sich auf das Grillen.
Zwei unserer Teams schafften 24
Runden und
belegten den 214 und 219 Platz von 324 Teams. Das dritte
Team erreichte den 269 Platz mit 21 Runden. Das beste Team schaffte
insgesamt 33 Runden.
Das 24h-Rennen war für alle Starter ein Highlight. Wir
freuen uns schon auf das nächste Jahr und werden bestimmt
wieder teilnehmen, obwohl eigentlich soll man ja aufhören,
wenn es am schönsten war - oder doch bis zum 18. bis 20.
August 2006?
Text: Hauke (OTTO BSG Radsparte)
Fotos: Hauke und Michael, Streckenfotos kommen netterweise von Thorsten (http://www.gotty.de)
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