Vattenfall
Cyclassics 2008 - Das Rennen mal aus anderer Perspektive erlebt
"Tolles Wetter, tolle Orga, tolles Rennen"
schrieb Heide-Biker
über die Vattenfall Cyclassics ins Forum. Recht hat er, obwohl ich
aus meiner sehr persönlichen Erfahrung auch anderes zu berichten
weiß. Eigentlich wollte ich wieder einen Erlebnisbericht
vom Rennen auf 155er-Runde schreiben, aber beim Veranstalter upsolut
ging das Wissen über den mir zugesagten kostenlosen Startplatz
verloren. Kurzentschlossen entschied ich mich mir einen Startplatz
für 55er-Runde zu ersteigern und eine Tour mit den Leuten vor dem
Besenwagen zu fahren.
Nach meiner neunten Teilnahme bei den Cyclassics im Vorjahr hatte
ich nach erneuter Fahrt auf der Langstrecke bereits angekündigt,
dass ich nach Abwechslung suche, gern die Kurzstrecke mit meinem
Mädel fahren würde; die aber meidet noch immer jede
Radsportveranstaltung, fährt lieber allein ihre Runden. So
entschloss ich mich dann doch wieder die 155er-Runde zu fahren.
Seit acht Jahren schreibe ich solche Berichte wie diesen hier
über meine Teilnahmen bei den Cyclassics, welche zu der stetig
wachsenden Popularität des Jedermannrennens sicherlich einen
Beitrag leisten. Das ist der Grund dafür, dass ich im Mai bei upsolut
nach einem kostenlosen Startplatz nachgefragt und auch zugesagt
bekommen hatte. Am Dienstag vor dem Rennen fragte ich nach dem
Prozedere der Anmeldung nach, aber man hatte die Zusage schlicht
vergessen. Am Donnerstag erhielt ich abends die endgültige Aussage,
dass man nichts mehr für mich tun könne. Und nun?
Eigentlich will ich mir einen Startplatz bei ebay ersteigern. Da
fallen die Preise erfahrungsgemäß an den Tagen vor dem Rennen in
den Keller. Dies wird nun noch dadurch verschärft, dass man
Startplätze nicht mehr mit dem eigentlichen Käufer tauschen,
sondern unter dessen Namen starten kann. Heihu11 las von meinem
Malheur, bot mir den Startplatz ihres Mannes an. Nach kurzen
Telefonat sind wir uns handelseinig.
Meine Vorbereitung auf das Rennen gestaltet sich dadurch anders
als in den Vorjahren. Zunächst muss ich am Sonnabend zur Übergabe
der Unterlagen fahren, um mich dann erst als Bernd Volbrich
akkreditieren. Dort treffe ich Holger Zietz, einen der beiden
Betreiber der neuen Hamburger Radsportmarke Dear Cycles, über deren
Verkaufsstart ich demnächst berichten werde. Amüsiert hört er
sich meine Story über meinen Startplatz an, was mir hilft mich mit
meinem neuen Schlachtplan abzufinden.
Um die fahrerischen Anforderungen für mich zu verschärfen,
entschied ich mich dazu mit meinem vollausgestatteten Tourenrad TrengaDe
TDH 10 zu fahren. Das ist ein tolles Rad für Touren und meine
Fahrten zur Arbeit, aber für Rennen gänzlich ungeeignet. Mir egal,
selbst das schwere Gliederschloss lasse ich dran, vergesse
die Federgabel zu arrettieren. Mein Plan
ist es im Pulk der Leute vor dem Besenwagen zu starten und dann
langsam das Feld von hinten aufzurollen. Ich hoffe auf Leute auf
Lastenrädern und Cruiser-Bikes und Familien mit Kindern zu stoßen.
Zunächst muss mein Rad schnellstens hergerichtet werden. Nach
stolzen ca. 6.000 pannenfreien Kilometern hatten meine Continental
TopContact seit Tagen einen Schleicher im Hinterreifen, aber ich
nicht die Zeit und
Lust gefunden dies zu reparieren. Die HS
33-Bremse hinten zieht auch nicht
richtig an. Es war eine gute Idee statt es selbst versuchen zu
reparieren dies am Tag vor den Cyclassics den Fahrradpflüsterern
von der Luftpumpe Hamburg zu überlassen. Jörn Düber zieht mir
einen neuen Mantel auf, weil ich ohne Luft gefahren war und dabei
die Flanken zermalmt hatte und entlüftet meine Bremse.
Am Sonntag dann aus Tonndorf mit dem Rad an der Startaufstellung
hinten ankommend bin ich zunächst enttäuscht von der zumindest
äußerlichen Normalität der Leute am Ende des Feldes. Die Leute
sind im Schnitt nicht so gut ausgestattet wie die in den vorderen
Blöcken, aber ausgefallene Räder sind nicht zu sehen. Ich habe
noch Zeit, bis ich mich mit denen auf die Strecke begeben will,
schreite ich die kein Ende nehmen wollenden Startblöcke ab.
Um mit einem Bild allein die Dimensionen dieser sich vom Hotel
Atlantik bis zum Bahnhof Dammtor Masse an wartenden Radrennfahrern
aufzuzeigen, müsste man es aus der Luft aufnehmen, weil sich die
Straße in langen Bögen entlang der Außenalster windet.
Ich halte
nach Bekannten Ausschau, entdecke meinen Arbeitskollegen Ralf
Schönfeld. Er steht über seinem Rad, hält ein anderes an der
Stange fest. "Mit wem fährst Du?" rufe ich ihm zu.
"Den kenne ich nicht. Der ist nur mal eben pinkeln
gegangen." entgegnet er. "Du hast Glück, dass Du ihm nur
hier die Stange halten musst." ruf ich zurück.
Ich entdecke nur noch ein mir unbekanntes
Mädel in unserer Haspa-Tracht ,
die aber ebenfalls zu weit weg steht, um fotografiert zu werden.
Bekannte Gesichter sehe ich nicht. Die stehen alle oben beim Start
zur 100er- und 155er-Runde. Ungewohnt ist für mich auch, dass mich
niemand erkennt. Viele dieser Leute sind der Radsportszene nur im
weiteren Sinne zuzuordnen und wer mich aus dem Netz kennt, wird mich
mit dem Tourenrad und in Sonntagsausflugs-Bekleidung kaum erkennen.
Ein Team von N3 filmt den Start für das Hamburg-Journal und dann
geht es plötzlich auch vor mir los. Das Starter-Team baut sich vor
dem Block D auf, dem, für den ich einen Startplatz habe. Ruhig
erklärt ein Herr mit Megaphon das Prozedere. Zwei Minuten später
zählt er die letzten Sekunden runter, dann geht es langsam los. Die
Zeit wird erst ab dem Dammtor-Bahnhof genommen.
Ich überlege, ob ich mit einem der nächsten oder dem letzten
Block starten soll, entscheide mich für den letzten. Die Leute in
den anderen sehen mir zu angespannt aus, als dass ich zwischen denen
startend fotografieren könnte. "Block D ist da vorne."
will mir einer helfen, weist in die andere Richtung. "Ja, ich
weiß. Den Start des Block D hab ich fotografiert." entgegne ich. Sein
ungläubiger Gesichtsausdruck amüsiert mich.
Es dauert eine Weile, bis 50 Minuten nach dem Promis die letzten
auf die Bahn gehen. Eigentlich wollte ich als letzter mit dem
Besenwagen über die Startlinie fahren, aber das wollen viele und
der Besenwagen startet aus einer anderen Straße.
In den Vorjahren war ich immer mit riesigen Pulks losgefahren,
ganz am Ende des Feldes sind aber von Anfang an nur vereinzelte
Fahrer anzutreffen. Ich sehe einen Herrn, der seine Tochter mit einem Arm
schiebt. Ob die die ganze Strecke so zusammen fahren werden, frage ich.
Nein, das ist nicht geplant, erfahre ich.
Auf der
Fruchtallee sehe ich die Besenwagenkolonne nahen, schieße ein Foto
und mach mich davon. Ich schau mir die Leute an, die ich überhole,
besonders gern die beiden charmanten Damen aus Öjendorf, warne sie alle
vor dem nahenden abrupten Ende ihrer Teilnahme. Teils fahren die
Leute in der Ebene nur knapp über 20 km/h. Das wird nicht reichen.
Später ist eines der Mädels auf RTL zu sehen. Nach nur vier Kilometer
hatten sie aufgeben müssen.
Ich erinnere, dass früher ein Schnitt von mindestens 22 km/h
gefordert war, sag das jedem. Es stimmt aber wohl nicht mehr, weil
das Teilnehmerfeld von Jahr zu Jahr länger wird. 25 sollten es
schon sein, wenn man im letzten Block ohne Vorsprung vor dem Besenwagen startet. Ich
nehme an, dass es von den Leuten, die ich bis zur Verpflegung in
Wedel traf, nur wenige in die Wertung geschafft haben.
Darüber lerne ich Roland Grimm vom Chemikaliengroßhandel Hugo
Haeffner in Stuttgart kennen. Er betreut seine Kollegen, die extra
für das Rennen angereist sind. Aus Jux ist er selbst an den Start
gegangen. Beim Blick auf den Tacho sieht er keine Chance seinem
Ausscheiden zu entrinnen. Nach 15 Kilometern ist er bereits mit
seinen Kräften ziemlich am Ende, muss aber noch 40 fahren und dabei
sein Tempo steigern.
Wir fahren scheinbar allein auf der sehr breiten Ausfallstraße
nach Pinneberg. Während wir so quatschen, überholt uns eine
Viererreihe im Zentimeterabstand zu mir. "Wollt Ihr das Rennen
noch gewinnen?", rufe ich geschockt. "Wir werden
erster." schallt es zurück.
Wenn sie dich holen, nimmst Du einfach die Startnummer ab und
fährst auf dem Radweg weiter, rate ich Roland. Du bist doch zum
Rad-, nicht zum Busfahren gekommen, setzte ich einen drauf. "Was
auch geschieht, genieß Deine Tour." sage ich ihm sinngemäß
zum Abschied. Der Besenwagen fährt geschätzt nur einen Kilometer
hinter uns. Bald haben sie ihn, denke ich.
Vor mir sehe ich einen Herrn von geschätzten 160 cm
Körpergröße die pottebene Strecke im hektischen Wiegetritt
fahren. Als er sich endlich auf seinen Sattel setzt, bestätigt sich
meine Vermutung, dass er stehend fuhr, weil der Sattel viel zu hoch
eingestellt ist. Er wackelt beim Pedalieren mit den Hüften.
Ich rate ihm an der Verpflegungsstation die Sattelstange
etwas einzufahren. Der Tipp kommt nicht an. "Ich bin ein großer
Kerl." entrüstet er sich. O.K., ich sag nichts mehr, entferne
mich schnellstens. Für das eigentliche Problem dieses Herrn habe
ich keinen passenden Rat.
In der nächsten Gruppe entdecke ich eine Dame in einem
dänischen Radsporttrikot. Sie spricht sehr gut Englisch, ist aber leider
nicht sehr gesprächig, konzentriert sich lieber auf ihren Rhythmus.
Als nächstes fallen mir drei Herren auf, weil sie vom Stil her
etwas anders gekleidet sind. Sie sprechen Auswärts. "Italiano?"
möchte ich wissen. "No, Español." sagt mein Nebenmann. Leider sprechen zwei kein Deutsch und kaum Englisch. Sie rufen
ihren dritten Mann hinzu. Mit Jaeier kann ich mich gut in
angel-sächsisch verständigen. Die drei kommen aus Ssarajossa
(garantiert von mir falsch geschrieben) - das liegt zwischen Barcelona und Mariz
(auch falsch) - nur um dieses Rennen zu fahren. Sie
sind begeistert von der Stadt, der Strecke, dem Publikum und der
sich daraus ergebenden Atmosphäre.
Ich schildere ihm noch kurz was sie noch erwartet, worauf sie
achten sollten und wo sie später die Bilder von sich finden
können. Jaeier freut sich über unsere Begegnung mindestens so wie
ich. Er notiert sich meine Adresse ins Handy. Er bedankt sich für
die tolle Veranstaltung. Ich sage ihm, wie stolz es mich macht,
solche Gäste in der Stadt haben zu dürfen.
Ab Pinneberg bis Holm weht uns ein frischer Nordwest-Wind direkt
entgegen. Ich erinnere in Holm und Wedel früher viel mehr Zuschauer
gesehen zu haben, aber die dort sind, sind gut drauf, feiern sich
und uns. Rasseln werden geschwungen, Kuhglocken geläutet, Fahnen
geschwungen und Hände abgeklatscht. Das ist es, was dem Velothon in
Berlin fehlt, um den Vattenfall Cyclassics das Wasser reichen zu
können.
Ich überhole eine Dame auf einen Damenrad mit Einkaufskorb. Für
Karin Haida ist es kein Rennen, sondern eine Radtour auf einer
abgesperrten Strecke. Von solch netten Begegnungen hätte ich gern
ein paar mehr gehabt. Schade fand ich auch, dass ich Pipe mit seinem
"Hamburger Lady" genannten extrem langen Cruiser-Bike
nicht antraf. Vermutlich war er im Block B oder C gestartet.
In Wedel mache ich eine ausgiebige Pause an der
Verpflegungsstation, nicht weil ich die bräuchte, sondern weil uns
da all die lieben Menschen von der RG Wedel versorgen. RTL Aktuell
ist vor Ort und lässt gerade Wilf in die Kamera sprechen. Auch
Gerti, Dirk und Carola sind mir von deren
RTF und anderen mehr oder
minder wohlbekannt.
All zu lange mag ich mich nicht aufhalten. Mit den Spaniern hatte
ich gebummelt und hier erneut viel Zeit gelassen. Bei den nun
kommenden Anstiegen am Falkensteiner Ufer und die
Kösterbergstraße hinauf werde ich erneut Zeit auf den Besenwagen
verlieren. Ich möchte ihn am höchsten Punkt in Ruhe eine rauchend
erwarten, um ihm dann bergab endgültig davon zu fahren.
Als ich abfahren will, passiert mir eine typische Situation.
"Hallo Helmut." ruft einer, den ich auf die schnelle kaum
einsortieren kann. "Kennen wir uns?" frage ich, worauf der
mich fassungslos anschaut. Es ist Bernd. Er hatte es geschafft seinen Häschern bis hierher zu entkommen.
Ich passiere einen Herren von geschätzten 170 Kilo, dessen Rad
unter seiner bei jeder Pedalumdrehung knarzt. Die gefährlichen Schienen hinter dem Schulauer Fährhaus werden
von einer Bergungsgruppe des THW abgesichert. Meinem Bekannter Armin
vom THW in Tonndorf steht an der Südschleife. Weil ich in nicht
fotografieren kann, hatte ich ihm versprochen jeden mir begegnenden
THW-Helfer zu fotografieren, fahre dafür auf freier Strecke extra
wieder zurück.
Zurück fahre ich auch um eine große Gruppe auf Stühlen am
Wegrand sitzende Senioren zu fotografieren und vorher zu noch mehr
Einsatz anzufeuern. Die Nachbarn gucken traurig, als ich an denen
vorbei ziehe, also kehre ich erneut um, um auch die abzulichten.
Die folgenden Anstiege bereiten mir keine Probleme. Mit dem
Rennrad schalte ich hier immer zurück in den ersten Gang. Mit
meiner 14-Gang-Nabenschaltung tut's der vierte. Für viele Leute ist
es nachdem sie schon 40 Kilometer in den Beinen haben einfach zu
steil, sie schieben.
Uns überholt ein Rettungswagen und ein Polizist auf seinem
Motorrad. Ich schnacke etwas mit ihm. Er ist die Vorhut des bald
kommenden Besenwagens. Oben angekommen rauche ich eine, fotografiere
die Leute, darunter auch einen auf einem Bonanzarad und dann kommt
auch schon die Schlusskolonnen.
Ich schwinge mich auf mein Rad und fahre mit teils über 40 km/h
den Hang hinunter. Unten angekommen ist die Kolonne noch dichter zu
mir aufgerückt. Ich sehe eine roten Kleinwagen mit einem am Holm
der Fahrertür festgebundenen Besen, lasse mich zu ihm abfallen und
fotografiere hinein.
Die können ja nicht ahnen, dass ich kein entkräfteter Radler,
sondern ein mit strammen Oberschenkeln gesegneter Freizeit-Journalist
bin. Freundlich sagt mir die Dame auf dem Beifahrersitz, dass sie
mich eben aus der Wertung nehmen musste. "Das ist mir wirklich
egal." sage ich ihr. Die unter dem Namen Bernd Volbrich
erscheinende Zeit würde eh nichts über meine Teilnahme aussagen.
Ich zieh das Tempo nun deutlich an, ziehe an ihr vorbei.
"Nehmen Sie mich wieder in die Wertung, wenn ich sie
überhole?" rufe ich ihr scherzhaft gemeint zu, aber so kam es
nicht an. Zunächst mache ich schnell Boden gut, auch nach dem
letzten Anstieg den Elbhang hinauf ist die Schlusskolonne wie
geplant außer Sichtweite.
Später erfahre ich durch die Reportage
von RTL über die Erlebnisse von Elke Voigt, der Frau im
Besenwagen was sie sich alles von ausgeschiedenen Radlern anhören
muss. "Nerven sie mich nicht. Wissen sie ich mich gequält habe
für diesen Scheiß?" rief eine wütig, weil sie von der
Strecke weichen sollte.
Bis zum Ziel erwarte ich eigentlich keine besonderen Vorkommnisse
mehr, freue mich um so mehr als ich den Mann mit seiner Tochter vor
mir sehe und schiebt er sie. Der Mann hat's nicht nur in den Beinen,
sondern auch in Kopf und Armen.
Die Cyclassics locken viele Fotografen an. Die, die damit ihren
Lebensunterhalt verdienen und die, die sich einfach nur an den
vielen schönen Motiven erfreuen. Ich fotografiere einen der
letzteren, der mich fotografiert. "Hallo Helmut." ruft er
mir zu. Ich bin baff. "Kennen wir uns?" rufe ich zurück.
"Ja, ich kenn Dich." Das hab ich gemerkt. "Ich Dich
auch?" will ich wissen. "Helmut, man kennt dich einfach
wenn man Rad fährt." schrieb mir Dieter
Gruber später per Mail, schickt mir das Bild von mir, das er
aus der Hüfte schoss. Einige Bilder schoss auch Harald
Legner. Seine
Bilderserien sind (waren) ebenfalls im Web zu bewundern.
Plötzlich schließt der Motorradpolizist
schnell zu mir auf, lässt mich anhalten. "Ich muss Sie von der Strecke nehmen. Sie sollen pampig zu
der Dame im Besenwagen gewesen sein." erzählt er mir.
"Ich war was? Pampig? Das ist absurd!" Ich kann es kaum
glauben. Und nun? Wir warten einige Zeit für eine
Gegenüberstellung auf das Eintreffen der Dame.
"Was habe ich böses getan?" möchte ich von ihr
wissen. Sie und der Fahrer sind noch immer aufgebracht über meinen
Auftritt. Ich vermute, die beiden können sich aus ihrer Erfahrung
heraus gar nicht vorstellen, dass es mir wirklich egal war, dass ich
- genauer gesagt Bernd - aus der Wertung flog. Die beiden rauschen
davon. Dem Polizist ist das alles peinlich, aber nun muss er mich
anweisen den ganzen Tross vorbei zu lassen.
Drei große Reisebusse, Transporter, Rettungswagen und Polizei
ziehen vorbei, ich hinterher. Für mich ist das Rennen - das meint
für mich die Veranstaltung, nicht den Kampf um Minuten oder gar
Sekunden - damit nicht zu Ende. Am Holstenwall folgt die Kolonne der
Ludwig-Erhard-Straße, ich biege ab auf die nun wieder
"freie" Rennstrecke, habe sofort Anschluss an die letzten
dem Besenwagen entkommenen.
Nach der Felderzusammenführung mit der Südschleife ab dem
U-Bahnhof Rödingsmarkt wird es auf und an der Straße belebt. Viele
schnelle Leute überholen mich. Am Straßenrand wird es immer voller
und lauter. In der Mönckeberstraße stehen tausende jubelnde
Zuschauer hinter den Absperrgittern. Sieglinde, die Frau von meinem
Freund Matthias, Rad-Manne und Rad-Sanne rufen mir zu. Bis rauf zum
Hauptbahnhof ist an der Absperrung kein Stehplatz mehr frei.
Ich gebe meinen Transponder ab, esse zwei Stück Obst und kippe
etwas Flüssigkeit nach. Mein Ego ist noch immer verletzt. Die Wunde
mit dem Startplatz klafft wieder auf, als ich eine große Gruppe von
der Bild Hamburg sehe, alle mit VIP-Startnummer. So eine Nummer
wollte ich nicht. Ich wollte nur, dass man meine Arbeit ebenfalls
anerkennt und mich kostenlos starten lässt.
Hättest Du mich in dem Moment gefragt, ob ich bei den nächsten
Cyclassics wieder dabei sein werde, hätte ich wohl geantwortet:
"Im Leben nicht." Ich trotte zu Matthias und Sieglinde
hoch zum Mönckebrunnen, wobei mein Ärger so langsam verraucht. Der
Straftatbestand der Majestätsbeleidigung wurde unter Kaiser Wilhelm
II. abgeschafft. Damit habe auch ich mich abzufinden.
Neben Peek & Cloppenburg hat die RV Trave einen Kuchenstand
für ihre Mitglieder aufgebaut. Hier treffe ich nicht nur deren
Vorsitzenden Thomas Pfau, sondern auch Matthias,
Ralf und seinen Schwiegersohn Uwe, mit
denen ich ein schönes Wochenende bei der Tour d'Energie verlebte.
Sie haben ihre Familie dabei.
Als nächstes erspähe ich Wessel in seinem
Dress des FC St. Pauli.
Das ist zwar grau in grau und trotzdem sehr auffällig. FC steht
hier für Fahrrad-Club. Als ich mit ihm quatsche, läuft Kurt
Schmidt vorbei, der Mann, der bei der RTF
ab Lohbrügge die Wertung
für das Radsport-Abzeichen abgenommen hatte. Ich erkenne Kurt,
Wessel erkennt Dieter "Eule" Ruthenberg, den ehemaligen Masseur des Team Telekom, bekannt
aus dem Film Höllentour.
Ergebnislisten hingen am ehemaligen HEW-Kundencenter aus und eine
Samba-Gruppe sorgte für Stimmung.
Abschließend machen wir eine Runde entlang der Messestände auf
dem Rathausmarkt. An seinem großen Stand treffe ich das Tonndorfer
Urgestein Harry, von Harry's
Rad-Station. Harry hat auf seinen Rädern eine 20 Leute
große Gruppe von Weigth Watchers erfolgreich an
den Cyclassics teilnehmen lassen. Stolz zeigt er mir die
Stahlrösser.
Neben der Messe boten die Cyclassics noch weit mehr
Rahmenprogramm. Am Sonnabend hatte ich mir kurz die unterhaltsamen Youngclassics der jugendlichen Rennfahrer und den Special
Olympics der geistig und körperlich Behinderten angeschaut. Vor den
Alsterarkaden hielten einige teils mit Rennradtechnik ausgestatte
Tretbote mit Fahren, die an der zufällig an dem Tag stattfindenden
Tretboot-Europameisterschaften teilnahmen.
upsolut und Hamburg können stolz sein auf dieses tolle
Radsportwochenende. Ach ja, einige Profis fuhren auch ein Rennen,
sogar eines das live im Fernsehen übertragen wurde, was mich
ebenfalls stolz macht. Wohl insbesondere in Folge der
Doping-Skandale war bei denen das Zuschauerinteresse noch
erheblich weiter zurückgegangen. Als ich Heim fuhr, waren kaum welche an der Strecke.
Erst beim Zieleinlauf war es wieder rappelvoll.
Und? Was mache ich bei den Vattenfall Cyclassics 2009? Na klar,
teilnehmen - dann aber wieder auf der Langstrecke und
hoffentlich weit vor dem Auto, mit dem man nicht spielen sollte.
Die folgenden Links führen Dich unter anderem zu meinen ca. 20
plus 175
großformatigen Bildern und weiteren Berichten von den Vattenfall
Cyclassics. Wie das Rennen aus der Sicht von Elke Voigt (der Dame
aus dem Besenwagen) verlief, zeigt eine tolle Reportage von RTL
Aktuell.
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