Entlang
dem Altmühl-Radweg zur Donau - Teil 2 der Vier-Täler-Radtour von Würzburg
nach Regensburg
Voller
Freude auf das vermeintlich enge, urbelassene obere Altmühltal fuhr ich
morgens auf dem Altmühl-Radweg los. Leider entsprach das überhaupt nicht meiner völlig
verfehlten Vorstellung. Bereits auf diesem Flussabschnitt ist der
Flusslauf bereits nach wenigen Kilometern kanalisiert und liegt frei in einer
Hochebene, dem Mittelfränkischen Becken. Als
Hamburger liebe ich im Urlaub den Blick auf Hänge und
Berge - nichts davon! Um den Blick in die Ferne ins Unendliche zu richten,
hätte ich auch im Norden bleiben können, da gibt 's Wasser in
dramatischeren Formen. Ziemlich desillusioniert fuhr ich die ersten
Stunden des Tages den Radwanderweg entlang dieses mich langweilenden Baches gen Osten.
Ein
Blick in die ADFC-Radtourenkarte verhieß
mir allerdings schon bald schönere Ausblicken. Aber zunächst ging es
über Herrieden, Bubenheim und Gunzenhausen, vorbei am Altmühlsee, dessen
Anblick für mich ebenfalls nichts besonderes war, nach Treuchtlingen. Kurz
nachdem ich losfuhr setzte Nieselregen ein, dessen Intensität sich
langsam und stetig steigerte. Meinen Wasserdichten Packtaschen und mir in meinem
Regenanzug und Überschuhen machte das nichts aus. Einzig meine Mütze
nervte. Die war zwar wasserdicht und atmungsaktiv, hatte aber ein
Stirnband aus Baumwolle, die die Feuchtigkeit aufsog. Als
ich am Wegesrand in einem Imbiss eine Kaffeepause einlegte, rollte ein
Radwanderer mit einem tollen Reiserad (Koga Miyata, Typ Globe Traveller?)
vor. Passend zu dem Rad aus holländischer Produktion saß auch ein
Holländer drauf. Ich
gesellte mich zu ihm und wir plauderten über unsere Radtouren. Er
erzählte, dass es seine erste große Tour war. Er wollte eine Schwester
südlich der Donau besuchen, hatte ihr am Telefon immer erzählt, er
würde zu ihr fahren, wenn er das richtige Fahrrad für die Reise hätte.
Diese scherzhaft gemeinte Fiktion setzte er nun in die Tat um, hatte sich
extra dafür dieses edle Reiserad für ca. 2.000 Euro zugelegt. Weil
mich der Hunger in ein Restaurant trieb, trennten sich unsere Wege. Wir
warfen noch gegenseitig einen Blick in unsere Radkarten, meinten uns
vielleicht am Nachmittag oder Abend wieder zu treffen, haben uns aber nie
wieder gesehen. Schade. Ab
Treuchtlingen, trifft
die Bezeichnung "Tal" denn doch zu. Schlagartig bauen sich vor
einem links und rechts Talhänge auf, die sogenannte "Treuchtlinger
Pforte". Dahinter erfüllte sich zwar
nicht mein Traum von einer Fahrt entlang eines sich ursprünglich
belassenen schlängelnden Flusslaufes, aber der Blick auf die vom Fluss
ausgewaschene, dem Bach seit Jahrtausenden trotzende Schluchtwände ließ
mein Herz eines Flachland-Germanen höher schlagen. Erster
Höhepunkt war das durch Friedrich Schillers Drama Wallenstein
sprichwörtlich gewordene Pappenheim ("Daran erkenne ich meine
Pappenheimer"). Statt mal durch historische Altstadt zu fahren,
folgte ich Trottel stur dem Radwanderweg, sah nur die Burg und die
Stadtmauern von außen. Viele Anblicke werde
ich lange in mir tragen, insbesondere den der Zwölf Apostel, Riff-Felsen
aus Kalk des urzeitlichen Jurameeres, die dem Strom über die Jahrtausende getrotzt
haben. Sie sind das größte Ensemble solches aus dem Hang ragenden
Gesteins. Unterwegs
kamen drei Mal Prozessionen an mir vorbei. Für mich als jemanden, der aus
einer protestantischen Gegend kommt, war es beindruckend mit welcher
Begeisterung die Leute ihren Glauben in der Öffentlichkeit zur Schau
stellten. Eine Gruppe sang dabei laut vor sich hin. Eine besondere Ehre
für ein einfaches Mitglied der Gemeinde schien es zu sein, das Kreuz vor
der Gruppe hertragen zu dürfen. Einem
Ort mit einer schönen alten Stadtmauer, dessen Namen ich leider nicht
erinnere sollte mit Eichstätt der nächste Höhepunkt folgen. Auf den
letzten Kilometern davor begleitete mich der Anblick der imposanten
Willibaldsburg,
die auf einer exponierten Stelle auf dem Hang erbaut wurde, so dass sie
weit hin sichtbar ist und sicherlich einen ebenso guten Ausblick bietet. In
Eichstätt gibt es ein riesiger Ensemble barocker Bauten zu bewundern;
etwas, dass ich sonst sehr mag, trotzdem fühlte ich mich hier nicht wohl.
Die Architektur der alten Bauten in dieser Stadt wirkte auf mich abweisend
und steril. Vielleicht lag 's daran, dass viele Fassaden mit weißem Putz
verkleidet sind. Streckenweise
wirkte der Altmühl-Radweg romantisch, wenn auch nicht so wie der obere
Teil des Tauber-Radweges. Nach 134 Kilometern mit nur 200 Höhenmetern endete meine Tagestour in
Pfünz in einem großen Gasthof. Ich
weiß nicht mehr was ich aß, aber das es fränkisch und lecker war.
Nebenan wurde in einem Saal eine Hochzeit gefeiert. Die
Hochzeitsgesellschaft bestand aus so um die 50 Personen, die sich mit
Gesellschaftsspielen miteinander vergnügten. Ich hatte den Eindruck, dass
man hier zumindest an diesem Abend in einer heilen Welt lebte. Am
nächsten Morgen befand ich nach wenigen Kilometern, dass ich von dem
Naturpark Altmühltal mal was anderes sehen sollte als immer nur das enge Altmühltal
selbst. In Kipfenberg fuhr ich heraus
zum Körschlinger Forst. Eine gute Entscheidung, denn hier erwartete mich die
für tollste Begegnung - nicht mit der Landschaft und den vielen
alten Bauten, nicht mit den Einheimischen und ihren Gebräuchen oder mit den anderen
Touristen. Nein, es waren Wildschweine, die mich am meisten beeindruckten. Am
Anfang des Forsts fuhr ich durch ein Wildgatter, ohne einen Gedanken daran
zu verschwenden, dass ich später welchem gegenüberstehen würde. Der Weg
war malerisch, wand sich wie ein Flusslauf ohne Wasser durch den Wald. Hinter
eine leichten Kurven standen sie dann da: Ein Eber samt Bache und ihren
Frischlingen weideten auf einer Lichtung direkt am Weg. Die Frischlinge
tollten wohl behütet von ihren Eltern im Gras herum. Wohl weil Gegenwind
herrschte, hatten sie mich weder gehört noch gerochen. Sehen können sie
eh schlecht. Und
nun? Zurück? Keine Ahnung, wie man sich da verhalten sollte. Erst mal hab
ich unbemerkt aus der Entfernung ein Foto geschossen. Ich überlegte mir,
dass das wohl scheue Tiere sein werden, ich mich ihnen nur vorsichtig
langsam nähern müsste, damit die sich in den Wald verziehen und den Weg
freigeben werden. Weit gefehlt! Der Keiler bewies mir das Gegenteil. Nachdem
ich wenige Meter gerollt war, bemerkte er mich, stieß einen Drohruf aus,
der keinen Zweifel zuließ, wer sich hier zu verziehen hatte. Im Bruchteil
einer Sekunde wendete ich und versuchte mich aus dem Staub zu machen. Bis
zurück hinter der Kurve drehte ich mich nicht um, fuhr ruhig, obwohl
alles in mir angespannt war, tat nichts was dem Keiler missfallen könnte. Erst
nach einigen Minuten lugte ich um die Kurve. Meine Wildschweinfamilie war nun
entschwunden. Sie hatten mich zutiefst beeindruckt. Ich denk immer wieder
gern an sie zurück. Ungewöhnlich waren für mich auch die riesigen
Schnecken, die oft meinen Weg kreuzten. Über
Schamhaupten, Altmannstein, Tettenwang und Hierlheim gelangte ich an die
Donau. Dabei überfuhr ich die Grenze zwischen Franken und Bayern. Man
merkt 's an der Sprache der Leud. Unterwegs ging ich zum Friseur und etwas
Verpflegung in einem Supermarkt einkaufen. Als Grossädter kann man
leicht den Eindruck gewinnen, hier wäre die Welt noch in Ordnung. So
ließ ich denn auch meine Packtaschen am Rad, als ich in einkaufen ging. Die
Radwege waren alle in gutem bis sehr gutem Zustand. Am oberen Flusslauf
kann man sich noch nicht an Talhängen orientieren, muss ab und zu auf die
Ausschilderung des Radwanderweges achten. Viele Schilder
fehlten, weil die wohl als "Souvenir" geklaut wurden. Warum
verkauft dort eigentlich niemand Radwanderer-Souvenirs? Böse verfahren konnte
man sich allerdings
nicht. Der Fluß hielt einen zur Not auf Kurs. Am
Wegesrand liegen viele Überbleibsel aus der Zeit der Römer. Leider
habe ich nicht eines gefunden, weil die alle schlecht ausgeschildert waren.
Selbst mit Hilfe der Einheimischen wollte es mir nicht gelingen, auf die
Hadriansäule zu stoßen. Der
Altmühltal-Radweg ist
sicherlich auch für Touren mit Kindern, ob im Hänger oder auf Rädern,
durchgehend geeignet, wenn man kurze Schiebepassagen hinnehmen mag. Die
Wege sind breit und meistens asphaltiert. Als
praktisch hatte sich meine Windstopperjacke von Gore erwiesen, bei der ich
je nach Wetterlage die Ärmel ab- oder wieder anzippen konnte. An der
Donau angekommen, war das Mittelteil, die Weste verschwunden. Vielleicht
hatte ich sie beim Friseur vergessen? Ich machte seine Telefonnummer
ausfindig, aber da war sie nicht. Ich
weiß noch, dass ich die Ärmel in den Taschen verstaut hatte, später
aber zu bequem war auch die Weste einzupacken und sie einfach auf dem
Gepäckträger unter der Kralle eingeklemmt hatte. Verloren gegangen
konnte sie also nicht sein. Wahrscheinlich hatte sie mir jemand vor dem
Supermarkt vom Gepäckträger geklaut.
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