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HEW-Cyclassics
2002 boten mehr, als nur Höhepunkte
Ein
launiger
Rückblick
auf Höhen und Tiefen
bei meiner zweiten Teilnahme
am 171 km langen
Jedermann-Rennen
Im
Bild: Stop
der Tacho- und Pulsaufzeichnung nach 5 1/2 Stunden Non-Stop-Fahrt.
Foto: Action Foto
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3 Tage davor –
Haspa, Kantine DZN |
Hatte mich
und mein Rennrad für die
Langstrecke angemeldet. Geschätzter Schnitt:
30 km. Jemand hat daraus „38“ gemacht. Die wurden dann per Rundschreiben
in der Firma rumposaunt. Kommentar vom 2-Meter-Mann Frank Schön: „Wie willst Du das denn
mit deinen kurzen Beinen schaffen?" |
1 Stunde davor –
Haspa, Innenhof DZN |
Hoffentlich haben die Kollegen recht,
dass es nicht regnen
wird. Lasse die Überschuhe im Auto, tüdel die Regenjacke wieder vom Rad ab und
leg sie dazu. |
20 Minuten davor – Startblock M |
Der
Trinkrucksack verweigert die Flüssigkeitsabgabe. Rüstzeug mutiert
zum Ballast. Nach einiger Fummelei besinnt er sich seiner Funktion. |
km 0 – Mönckebergstraße |
15 Minuten nach der
geplanten Startzeit rollen wir endlich
über die Startlinie. |
km 2 – Berlinertordamm |
Dichtes Gedränge. Alle suchen ihren Rhythmus. |
km 6 – Borsigstraße |
Habe meinen Rhythmus gefunden. In wechselnden Pulks geht’s
gen Osten. Auf
den Schienen vor dem DZB der Haspa liegen auch in diesem Jahr wieder
zahlreiche verlorene Trinkflaschen. |
km 14 – Ochsenwerder |
Von wo kommt der Wind? Die Fahnen
zeigen „von links
hinten“ – die Windkrafträder „von links vorne“ – mein Gefühl „immer von
vorn“. |
km 20 – Fünfhausen |
Dunkle Wolken ziehen auf. Will’s etwa regnen? |
km 23 – Warwisch |
Am Straßenrand wiegt sich ein skurril gekleidetes junges
Päarchen wie in Trance im Takt, den er mit seiner Trillerpfeife vorgibt. |
km 29 – Nettelnburg |
Regen setzt ein. Der kühlt angenehm und trocknet sofort
ab. |
km 32 – Ortsausgang Bergedorf |
Hab Marion und Detlev nicht erspähen können.
Gern hätt ' ich hinterher berichten können, selbst „der Pabst“ hätte mich
angefeuert. |
km 33 – B5 |
Matthias Langendorf und Henning Koller sausen mit fast 40
km/h heran, wollen, dass ich mich dranhänge. Viel Erfolg! Ohne mich. Brauche
meine Kräfte noch. |
km 35 – Specken Weg |
Schwerer Unfall! Ordner bremsen uns ab, leiten uns an der
Unfallstelle vorbei. Weil uns ein Löschfahrzeug entgegen eilt, müssen wir ein
langes Stück an den Fahrbahnrand gedrängt fahren. |
km 40 – Voßmoor |
Der Regen hat zugelegt. Spritzwasser
vom Rennrad des Vordermanns fliegt mir ins
Gesicht. Windschattenfahren? Unmöglich! Hänge die nächsten drei Stunden
allein im Wind. |
km 42,5 – Schleusenbrücke |
Wenn
das Durchschnittstempo unter 28 fällt, muss man das Rennen
abbrechen. An diesem ersten Wendepunkt beträgt der aber über 34! Mit diesem
Polster kann ich im Fall der Fälle dem Besenwagen entkommen. |
km
45 |
Die
Situation kenne ich doch von jeder RTF: Gut gelaunt zieht Olaf
Schäfer vom Team Einstein vorbei. Erfahre später, dass er die 119
mit 34,3 Schnitt gefahren hat. Wohl 'n ' Platten gehabt? ;-)) |
km 50 |
So um die zehn Cheerleaderinnen – vom kleinen Mädchen bis
zur drallen Mitzwanzigerin nach Größe sortiert – skandieren ihre Schlachtrufe
und wedeln uns mit ihren Pompons zu. Folgerichtig nimmt das Feld mehr Fahrt auf. |
km
51 |
Thomas
Wiencke, ebenfalls vom Team Einstein und der zahlreichen von meinem
Gehalt lebenden Fahrradhändler, kommt heran, flachst mich wegen
meines eigenwilligen Vorbau (Look Ergo-Stam) an. Er ist ziemlich
angefressen wegen der rücksichtslosen Fahrweise einiger Teilnehmer. |
km 55 – Winsen |
Hier erfolgt für die Profis die Sprintwertung. Wer die
Jedermänner und –Frauen anfeuern wollte, wird enttäuscht. Da, wo man den
besten Blick auf das fahrende Feld hätte, liegt eine Verpflegungsstation. Die
meisten Teilnehmer sind nur bei der Nahrungs– und Getränkeaufnahme zu bestaunen. |
km
60 |
Plaudere
angeregt mit einem Radler aus Forst in der Niederlausitz. |
km 72 – Bullenhausen |
Bin völlig
durchnässt. Die Magnesiumtabletten haben sich in
der Trikottasche aufgelöst. In den Schuhen steht das Wasser. Meine Zehen
frieren erbärmlich. |
km 83 – Heimfeld |
Die Harburger Berge sind scheinbar
erklommen und noch immer zeigt der Tacho nur 18 km/h. Bin ich schon
ausgepowert? Nee, der Anstieg ist lang und zuletzt mit dem Auge kaum
wahrzunehmen.
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km
88 – Kuppe |
Einige
Fans haben sich vom Regen nicht beeindrucken lassen. Unter einem Sonnenschirmen
grillen sie unermüdlich wie jedes Jahr. Riecht verdammt gut! Möchte anhalten und
um eine Wurst bitten.
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km 90 – Abfahrt
nach Hausbruch |
Schussfahrt auf
nasser Fahrbahn. Halte Abstand und bremse ab 50 km/h lieber ab. |
km 104 –Köhlbrandbrücke |
Der Höhepunkt!
Beste Aussicht – leider total verregnet. Recke tapfer meinen Daumen in die
Kamera eines Fotografen. Das Foto haben die mehr bis heute leider
vorenthalten. |
km 111 – Freihafen |
Mit einer Fahne
in der Hand warnt ein Mann vor besonders gefährlichen Schienen. Zwei
Vorderleute sind zu entkräftet um die richtig anzufahren, werden zwar langsamer, fahren aber geradezu
schicksalhaft drauf zu, fädeln ein und stürzen – zum Glück nicht schwer. |
km 113 – Speicherstadt |
Felderteilung und
noch immer regnet es. Links lockt nach vier Kilometern das Ziel und eine
warme Dusche; geradeaus erwarten mich noch weitere 60 km. „Warum tust Du Dir
das an?“ „Profis können sich das Wetter auch nicht aussuchen.“ Es dauert
einige Zeit, bis ich den inneren Konflikt beigelegt habe. |
km 120 – Anstieg
zur Schnackenburgsallee |
Hier hat’s mich
letztes Jahr vom Rad gehauen; konnte mich erst mit völlig verkrampfter
Beinmuskulatur nur noch stehend am Rad festhalten. Rien ne va plus! Ging völlig frustriert zurück Richtung
Felderteilung. Konnte dann wieder aufsteigen, kehrte nochmals um und fuhr die
restlichen 50 km mit einer weiteren Zwangspause doch noch ab. Fünf Tage
später konnte ich wieder schmerzfrei treppensteigen. |
km 128 – Schenefeld |
Der Regen hat aufgehört. Die Fahrbahn trocknet. |
km
130 |
Wenn
ich aus dem Sattel steige, z. B. um zum Vordermann aufzuschließen,
kündigen sich Krämpfe an. Bis zum Schluss bleib ich lieber im
Sattel und zum Glück von Krämpfen verschont. Hinterher wir mir
klar, dass ich zu wenig getrunken und deshalb zu viel Flüssigkeit
verloren habe.
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km 139 – Holm |
Partystimmung an den Straßen und in den
Vorgärten.
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km 148 – Wedel |
Volksfest – aber wo ist
Anja von Appen? |
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km 149 – Schulauer Straße |
Ja! Da steht
Katrin Behrens samt Familie, lichten mich ab (siehe Fotos) und feuern mich an. |
km 155 – Anstieg zum Kösterberg |
Kurz
vorher hatte ich mit einem Teilnehmer aus dem Harz geplaudert, im
erzählt, dass dies der letzte große
Anstieg und der Rest kein Problem wäre. Zunächst wird es aber die
erwartete Quälerei. |
km 160 – Abfahrt durch Blankenese |
Mühelos mit über
50 km/h dem Ziel entgegen eilen – so macht Radfahren Spaß! |
km 163 – Anstieg zum Elbhang |
Verdammt,
die lächerlichen 35 Meter den Hang rauf kommen mir vor wie 500! |
km 168 – Reeperbahn |
Viele Passanten,
keine Zuschauer. Fühl mich ausgebrannt. Hoffentlich sieht mich keiner. |
km 169 – Holstenwall |
Hab mich wieder
gefangen. Der Rest ist kein Problem. |
km 170 – Rathausplatz |
Nach 5½ Stunden
Non–stop–Tour nun die Zieleinfahrt. Letztes Jahr waren hier bei schönem
Wetter doppelt so viele
Leute drei Mal so laut. Genieße trotzdem die Ovationen der „mir“ gebliebenen
Fans. |
171 – Mönckebergstraße |
Das „Duud“ der Zeitnehmerschleife beendet das Rennen für
mich. |
1 Minute danach –Steinstraße |
Die Zigaretten sind total aufgeweicht.
Mein Nikotinspiegel muss sich gedulden.
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15 Minuten danach – Burchardplatz |
Man
muss nicht erst nach Thailand fliegen, um zu erkennen, dass Massagen nicht nur
einen medizinischen Aspekt haben. Vor mir kneten zwei Herren intensiv eine Dame durch. Hab
mich voller Vorfreude auf Bein– und Rückenmassage ebenfalls
großflächig entkleidet. Die aber lockern nur meine hintere Beinmuskulatur und
verweisen mich von der Matte!
Letztes Jahr hatte sich ein junger Mann intensiv meinen
geschundenen Muskeln gewidmet. Als dann ein katzenartiges blondes Wesen ihm
„Möchtest Du nicht mal ne Pause machen“ ins Ohr säuselte, antwortete der mit
„Nein“! Kaum zu glauben, welche Höhen und Tiefen einen die Cyclassics
selbst nach dem Rennen durchleben lassen.
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3 Stunden danach –daheim |
Schau mir stolz mein Ergebnis an.
Schnitt: Über 31, bei einem Durchschnittspuls von nur 135. Das tollste: Ich bin
schmerzfrei! Cyclassics 2003? Ich freu mich schon drauf!
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Es
folgen die Protokolle des Tachos. Ein Klick
auf die Grafiken lässt diese groß erscheinen.
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